Die Einheit der Trennung vorziehen

Wir leben in Zeiten einer höchstmöglichen Trennung, die sich auf allen Ebenen vollzogen hat. Unsere Wissenschaft geht den einzelnen Aspekten eines Ganzen immer weiter und tiefer auf den Grund und verliert dabei das Ganze immer mehr aus dem Auge, weil niemand mehr die Zusammenhänge überschauen kann und sich dafür zuständig fühlt. Die Medizin ist in so viele unterschiedliche Fakultäten unterteilt, dass es absolute Spezialisten, aber kaum noch Ärzte für das Generelle gibt. Die Spezialisierung ist auf einem genialen Hoch und die kleinsten Dimensionen sind sichtbar gemacht worden. Am Ende geht es dabei auf Kosten der allumfassenden Größe: Der Ganzheit. Kein Wunder, dass in den letzten Jahrzehnten alles in unserer Gesellschaft nach Ganzheit schreit. Der Begriff ist uns besonders aus der alternativen Gesundheitsszene bekannt. 

Doch auch bei unseren menschlichen Lebensstrukturen finden wir die Trennung bis hin zur Vereinzelung. Lebten wir früher in Stämmen und Sippen, kamen danach die Großfamilien, die von der Vater-Mutter-Kind-Familie abgelöst wurde. Heute finden wir große Ballungszentren mit einem hohen Prozentsatz an sogenannten „Singles“. Davon sind insbesondere die Frauen mit Kindern betroffen. Besonders in den Großstätten gehören die alleinerziehenden Mütter zum Alltagsbild. 

Das alles ist sicher nicht als Zufall zu bezeichnen, sondern kennzeichnet das Endstadium dieser letzten Epoche. Wir befinden uns auf der Zielgeraden einer gezielt vorangetriebenen, künstlichen Trennung und Vereinzelung.
Individualität und Unabhängigkeit dienen nicht der Menschheitsentwicklung als solches, sondern entspringen einer narzisstischen EGO-Struktur und spielen in unserer Gesellschaftsform eine große Rolle. Wird uns da etwas schön geredet, um uns den bereits vorhandenen Zustand der Vereinzelung schmackhaft zu machen? Dieser Umstand trifft heute insbesondere auch auf die Generation der Senioren zu. Da sagt uns die Werbung, dass wir die „Best-Ager“ sind und meint die Möglichkeit für ältere Menschen, fit, sportlich, agil und reiseaktiv zu sein. Ist das der Selbstzweck des Alters? Nichts spricht gegen Gesundheit und Aktivität im Alter … doch nicht als Selbstzweck! Aktivität kann nur als Voraussetzung für eine ganz andere, neue Aufgabe dienen: Die Weisheit unseres Lebens an die nächsten Generationen weiterzutragen. 

Es gibt zwei Pole bezüglich Beziehungen in unserem gegenwärtigen Leben. Auf der einen Seite gibt es die Individualität und auf der anderen Seite zeigt sich die Gruppe. Zwischen diesen beiden Polen bewegen wir uns in jeder Situation hin und her. Leben wir zu viel Individualität, mündet dies in Vereinzelung und Trennung. Leben wir zu viel Gruppe, so kann das zur Aufgabe unserer Individualität führen. Wir brauchen eine Ausgewogenheit zwischen diesen Polen … ich nenne dies den „Eiertanz des Lebens“, denn er erfordert in jeder Lebenssituation neue Entscheidungen. Mal fühlen wir uns mehr zur Gruppendynamik hingezogen und mal brauchen wir mehr Ruhe und Abstand für uns allein. 

In diesen Zeiten leben wir als westliches Kollektiv durch die stärker zunehmende Trennung mehr am Pol der Individualität. Für die anstehenden Veränderungen tun wir gut daran, ein völlig neues WIR zu entdecken und zu pflegen. Ein WIR, das weder angepasst an das Kollektiv ist, noch in Konkurrenz zu anderen steht. Wir brauchen ein neues WIR-Gefühl, das nicht die „Verschmelzung“ bevorzugt, sondern die Vielfalt der Einzelnen, damit wir aus dem „entweder-oder“ in ein „sowohl-als-auch“ aller Möglichkeiten kommen.

Das mag profan klingen, doch wenn wir uns unsere Beziehungen ganz genau und sehr ehrlich anschauen, können wir den Unterschied erkennen. Nehmen wir als Beispiel eine Ehe oder eine partnerschaftliche Beziehung. Wenn wir Glück haben, kennen wir unser Wesen … wenn wir noch mehr Glück haben, kennen wir auch das Wesen unseres Partners oder unserer Partnerin. Kennen wir auch das Paarwesen, das sich aus diesen beiden Menschen ergibt? Kennen wir das Wesen, das hinter diesem einen WIR steht? 

Wenn wir kreativ mit einem WIR leben, dann stellt sich die Frage, ob unser Denken, Sagen und Handeln für alle in der Beziehung verbundenen Menschen und Wesen gleichermaßen gut ist. Erst wenn wir diese Frage mit einem JA beantworten können, werden wir auch einem WIR gerecht. Dann haben wir den Weg von der künstlichen Trennung zur natürlichen Einheit beschritten, in der Individualität nicht Trennung, sondern ein WIR-Gefühl erzeugt und haben damit die Basis für ein neues Zusammenleben erschaffen. Erst dann werden wir einer neuen Zeit gerecht. 

Es gibt also 3 Bereiche: ein Ich … ein Du … und ein WIR … und alle Bereiche sollten ausgewogen gelebt sein, um eine optimale Gesundheit zu erreichen.